von Yvonne Zimmermann
Warum habt ihr Grünen euch eigentlich im Rat gegen die Manheimer Bucht ausgesprochen? Wollt ihr nicht, dass dort einmal ein schöner See entsteht, mit Fahrradweg, Booten und Bademöglichkeit so wie bei den Seen in der Ville?
Natürlich kennen auch wir die schönen Bildchen, die RWE als Zukunftsvision werbewirksam veröffentlicht. Schön wäre es, doch gibt es noch zu viele unbeantwortete Fragen für uns. Um unsere Haltung zu erklären, müssen wir etwas ausholen.
Braunkohletagebau eine ökologische und soziale Katastrophe
Wir Grünen waren schon immer gegen die Verbrennung von Braunkohle zur Stromerzeugung und das aus nachvollziehbaren Gründen. Doch wir waren nie gegen die Menschen, denen RWE bei sich und in Zulieferbetrieben gute Arbeitsplätze sicherte und die ihre Jobs gut machten. Unsere Kritik richtet sich an die Landes- und Bundesregierung, die wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigte und die klimaschädliche Braunkohle weiter förderte. Seit den 70er Jahren wissen wir, dass die Verbrennung fossiler Energien die Erderwärmung massiv vorantreibt. Braunkohle ist dazu die fossile Energie mit den meisten Treibhausgas-Emissionen und etlichen anderen gesundheitlichen Emissionen wie z.B. Quecksilber. Noch dazu wird sie im Tagebau gewonnen und die Förderung lässt ganze Orte und wertvolle Kulturdenkmale unwiederbringlich in den riesigen Löchern verschwinden. Die Menschen werden gezwungen, ihre gewachsenen Ortsgemeinschaften aufzugeben, ihre Häuser an RWE zu verkaufen und in anderen Orten komplett neu anzufangen.
Der Tagebau vernichtet auch riesige Flächen unserer wertvollen, über Jahrhunderte entstandenen guten Ackerböden. Abgetragen und vermischt werden sie minderwertig und benötigen ewig, um wieder zu ihrer alten Fruchtbarkeit zu gelangen. Dem Tagebau fallen zudem ökologisch wertvolle Natur, z.B. wunderschöne Waldgebiete zum Opfer, wie der einst riesige Hambacher Wald, Deutschlands einziger Stieleichen-Hainbuchen-Maiglöckchen Wald in dieser Größe, in dem man stundenlang spazieren gehen konnte und wo viele Kerpener Kinder früher Maiglöckchen gepflückt und für ein kleines Taschengeld verkauft haben.
Ökologische Vernetzung des Hambacher Rest Waldes notwendig
Nun soll ein kleiner, trauriger Rest des Hambacher Waldes bei Buir auf Beschluss der Regierung erhalten bleiben. RWE spricht hier von „nicht mehr in Anspruch nehmen“. Jedoch wird weiter bis an den Waldrand gebaggert, um die restliche, noch erlaubte Kohle zu fördern und die Böschung für den späteren See neu aufzubauen. Der Rest-Wald bezieht sein Wasser ausschließlich aus Niederschlägen, die in den oberen Bodenschichten gespeichert werden. Die heißen Winde aus dem Tagebau aber erwärmen den Wald stark und trocknen ihn aus, das oberflächennahe Wasser läuft dazu auch in die Grube ab. Mit den Dürren der letzten Jahre kam es deshalb zur massiven Schädigung aller Bäume im Wald und zur Austrocknung seiner Feuchtgebiete mit schlimmen Folgen für die dort lebenden Frösche, Kröten und Insekten kommen. Die Säugetiere, Reptilien, Vögel sowie die Fledermäuse, vor allem die geschützte Bechstein-Fledermaus mussten sich andere Wohnorte suchen, wenige Tiere, wie die geschützten Haselmäuse wurden gefangen und umgesiedelt. Viele Tiere aber konnten eben nicht rechtzeitig flüchten. Um die wertvolle Ökologie dieses kleinen Restwaldes dauerhaft zu erhalten, wird in der Leitentscheidung der Landesregierung die Vernetzung des Hambacher Waldes mit den umliegenden Bürgewälder, wie der Steinheide im Osten als dringend notwendig gefordert. Genau das ist aber auf Jahrzehnte nicht in dem geforderten Maße möglich, wenn RWE die Fläche von Manheim alt südlich der alten A4 für die „Manheimer Bucht“ abbaggert und dabei die kleinen Wäldchen, Hecken sowie Fließe, die als Vernetzungswege für die Tiere dienen können, verschwinden. Stattdessen entsteht über Jahrzehnte eine riesige Kiesgrube, die nun den Hambacher Wald auch von der östlichen Seite bedroht und eine gute ökologische Vernetzung unmöglich macht.
RWE Argumente für Manheimer Loch von Grünen in Frage gestellt
Diese Kiesgrube soll nach Angabe von RWE zur Gewinnung notwendiger Kiesmassen für die Böschungsgestaltung des zukünftigen Sees im Tagebauloch dienen. Das dies notwendig sei, wurde auch in einem „unabhängigen“ Gutachten, das nun im letzten, aktuellen Braunkohleausschuss der Bezirksregierung vorgestellt wurde, „bestätigt“. Das Ergebnis war, oh Wunder, genau so, wie es RWE vor fast 2 Jahren schon selbst als einzige Möglichkeit dargestellt hatte: Als einziges Zugeständnis an die Gegner des Manheimer Lochs könnte eine winzige Fläche um und die Alt-Manheimer Kirche selbst als mögliches Denkmal erhalten bleiben, wenn die Überhöhung der vor der Sophienhöhe angeschütteten Innenkippe zur Erstellung landwirtschaftlicher Flächen etwas flacher ausfallen würde. Deshalb hat der aktuelle Braunkohleausschuss nun empfohlen, dies genau so umzusetzen.
Zu diesen ganzen Planungen wie zu dem ganzen Verfahren haben wir als Grüne wichtige kritische Anmerkungen und Fragen, die uns bisher nicht beantwortet wurden:
1. Das von der Bezirksregierung beauftragte Gutachten zur Massegewinnung arbeitet ausschließlich mit von RWE zur Verfügung gestellten Zahlen, die es als schlüssig und nachvollziehbar bezeichnet. Eigene Erhebungen wurden nicht gemacht. Eine der daran beteiligten Firmen hat davor bereits für RWE gearbeitet- Unabhängigkeit?
2. Ein alternatives Gutachten zur Massegewinnung von ANSEV (Allianz für nachhaltigen Strukturwandel e.V.) wurde sofort als nicht umsetzbar abgelehnt.
3. Alternativen, wie die Verwendung von Kiesen aus den Kiesgruben der RWE Tochterfirmen in der direkten Nachbarschaft oder von anderen Tagebauen wurden erst gar nicht überlegt und mit eingerechnet.
4. Auf der Fläche nördlich der alten A4 werden schon heute Kiese abgebaut, die jedoch nicht für die Böschung verwendet, sondern scheinbar weitläufig verkauft werden. Warum?
5. Die Stadt Kerpen hatte in ihrer ursprünglichen Stellungnahme zur Leitentscheidung auch ein unabhängiges Gutachten zu den zusätzlichen Auswirkungen dieser neuen Riesenkiesgrube auf die anliegenden Wälder, Hambacher Wald und Steinheide gefordert, das jedoch nie erstellt wurde. Durch Wind und Wärme aus dem nördlichen Tagebauloch käme nun zusätzlich die Hitzerückstrahlung aus der östlich liegenden Riesenkiesgrube als Dauerbelastung hinzu. Die Frage ist hier, welche klimatischen Auswirkungen hat das auf die Rest-Wälder noch dazu bei zunehmenden Temperaturen und Hitzeperioden von möglichen, mehreren Wochen in Zeiten der Erderwärmung?
Klimawandel stellt Hambacher See in Frage
6. Die CO2- Werte in der Atmosphäre steigen immer weiter, der neue Bericht des IPCC ist alarmierend und Kerpen hat den Klimanotstand ausgerufen.
A) Es gibt aber keine Machbarkeitsstudie und Umweltsverträglichkeitsprüfung dazu, ob die Füllung dieses Riesensees im Hambacher Loch und der „Manheimer Bucht“ mit Rheinwasser unter Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels überhaupt noch realistisch ist. Die Bezirksregierung sagt, da die Planung des Tagebau Hambachs aus den 70er/80er Jahren stammt und hier nur eine Planänderung erfolgt, sei eine Umweltprüfung mit Klimafolgenabschätzung nach aktuellem Recht nicht notwendig, sondern das alte Recht gelte weiter. Seit den 70er Jahren sind aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Folgen der Erderwärmung enorm gewachsen und die Gefahren im Juli letzten Jahres bei der Hochwasserkatastrophe an Ahr und Erft bei uns auch für uns alle erlebbar geworden.
B) Was ist bei den weiter zunehmenden Extremwettern durch den Klimawandel? Im Juli gab es auch massive Abrutschungen im Tagebau Inden durch die langanhaltenden heftigen Niederschläge. Was ist dann hier möglich, zumal mit den in geringem Abstand liegenden weiteren Kiesgruben und dem Tagebauloch? Was ist mit der Entwicklung von Staubstürmen, eventuell Tornados aus den Hitzegruben?
C) Kann überhaupt noch eine gesunde See-Entwicklung stattfinden? Schon heute zeigen auch tiefere Seen eine Erwärmung von 1-2Grad. Bei weiterer Erderwärmung werden bis zu 4Grad erwartet. Die Folgen: Sauerstoffmangel, vermehrtes Algenwachstum, gestörte Entwicklung von Arten, zusätzlich zu den eh möglichen Schwermetallauswaschungen, die ja unsere Trinkwasser-Brunnen zukünftig vernichten würden. Deshalb werden wir dann alle unser Trinkwasser nur noch aus der einzigen Trinkwassergewinnung in Dimerzheim bekommen werden.
Das alles sind keine guten Voraussetzungen für eine gesunde See-Entwicklung in Zeiten der Erderwärmung.
CDU, SPD, FDP. AfD und BBK unterstützen im Rat RWE Position
7. Wir fragen uns auch, wie RWE an alle Grundstücke im Gebiet Manheim-alt kommen will, denn dort wohnen noch Menschen, die gar nicht an RWE verkaufen wollen. Fällt eine mögliche Enteignung für eine Kiesgrube auch unter erhebliches nationales Interesse wie damals eine Enteignung nach Bergrecht beim Tagebau? Auch nach dem Beschluss der Bundesregierung zum Kohleausstieg, halten wir das für äußerst fraglich.
8. Uns verwundert auch, dass CDU, SPD, FDP, AfD und BBK im Rat der Stadt Kerpen und der Bürgermeister trotz vorheriger Ratsbeschlüsse weder rechtlichen Beistand anforderten noch bei der berechtigten Forderungen zur Leitentscheidung geblieben sind, sondern quasi im voreiligen Gehorsam RWE entgegengekommen sind und das Manheimer Loch abgesegnet haben. Da fragen wir uns schon, welche Verflechtungen oder Abhängigkeiten von Bürgermeister und Parteien zu RWE hier wieder deutlich werden.
Es gibt also noch sehr viele kritische Sachverhalte und unbeantwortete Fragen, weshalb wir uns als Grüne im Rat der Stadt Kerpen nach wie vor gegen das Manheimer Loch aussprechen und Möglichkeiten suchen, weiter dagegen vorzugehen.
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